Ambitionierte Hobbyfotografen wollen ihre Fotos veröffentlicht sehen. Das ist legitim aber kein Journalismus.
Gewohnt souverän schafft Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg wie immer Spitzenwerte. In der Beliebtheit schlägt er die Bundeskanzlerin und wenn es um Nutzungsrechte an seinem Portrait geht überrundet er sogar Otto Waalkes. Während Fotos, die den alternden Komiker beim Schreiben von Autogrammen zeigen, für 25,- € zu haben sind, kostet ein einfaches Guttenberg-Foto auf der PlattformTvype das Doppelte. Nun sollte Otto aber nicht gleich verzweifeln, Fotos der Straßenbahn, die auf der Chausseestrasse in Berlin wegen Stromausfalls liegen geblieben ist, können Interessierte bereits für 15,- € erwerben. Die Preise sind so die Selbstdarstellung des Anbieters „professionell ermittelt“. Doch die Plattform leistet mehr: „Erfahrene Bildredakteure helfen interessierten Amateuren das maximale aus ihrem Hobby herauszuschlagen – einfach schnell und transparent.“ Doch nicht nur die Preiskalkulation ist einfach, auch ethische Fragen werden für interessierte Lieferanten gelöst. Die Plattform ist „Ihr Partner auf der Suche nach aktuellen, nutzergenerierten Inhalten. Wir kümmern uns um die Auswahl der Fotos/Videos und klären für Sie alle ethischen und rechtlichen Fragen.“ Alles also ganz einfach. Eigentlich muss man nur den Auslöser finden und das Foto hoch laden um weltweit wahrgenommen und veröffentlicht zu werden.
Seit Fotos digital fotografiert mit einer Kamera oder dem Handy sich über den eigenen Rechner im Internet präsentieren lassen kann jedermann und –frau dem weltweiten visuellen Overload weitere Beiträge hinzufügen. Demokratisierung nennen das die Verantwortlichen und sehen in ihrem Angebot einen Beitrag, die Inhalte der Medien mehr an den Interessen der Leser auszurichten. Kommen so doch endlich Themen auf die Agenda, die bisher dem Mainstream geopfert wurden. Und wenn man sich dann noch in einem Atemzug mit Wikileaks nennt bekommt der Gedanke gleich etwas Revolutionäres.
Schöne Idee.
Schon immer gab es Fotografinnen und Fotografen, die einfach zum eigenen Vergnügen Bilder machten. Seit Erfindung der Fotografie entstehen durch Amateure hervorragende Aufnahmen, die auch ihren Weg zur Veröffentlichung fanden. Auf dem Markt illustrativer Einzelbilder tummeln sich Fotografen, die aus Spaß an der Freude Bilder machen, die denen professioneller Fotografen in Nichts nachstehen und von Bildagenturen weltweit vertrieben werden. Technisch-handwerklich sauber gemacht dienen diese Bilder als Dekoration ohne Tiefgang und Bedeutung. Die Fotos haben keine Botschaft und transportieren keine Haltung. Beliebig einsetzbar und genauso austauschbar. Illustration – nur eben kein Journalismus. Journalismus ist etwas anderes. Journalismus ist die Übermittlung von Fakten und das Vertreten einer Haltung. Journalismus bedeutet Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen. Journalismus braucht Zeit. Fakten recherchieren und überprüfen dauert solange wie es dauert. Um eine Position zu einem Geschehen zu entwickeln, muss es reflektiert werden. Die Publikation relevanter Informationen darf nicht davon abhängen, ob ein Autor gerade Zeit hat oder nicht, weil er noch einem anderen Job nachgehen muss um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Natürlich können auch Amateure bei aktuellen Ereignissen akzeptable fotografische Ergebnisse erreichen, die Masse schafft es aber leider nicht. Die überwiegende Zahl der Fotos der Bürgerreporter ist schlecht fotografiert und thematisch irrelevant – außer für diejenigen, die gerade in der Straßenbahn saßen, als der Strom ausfiel. Wenn Bürgerreporter als Ergänzung oder Ersatz für professionelle Journalisten angesehen werden, haben etablierte Medien durch ständige Einsparungen, die immer zu Lasten der Qualität gingen, dazu beigetragen, den Sinn für Qualität bis auf den absoluten Nullpunkt zu senken.
Schon immer suchten lokale Publikationen die Leser-Blatt-Bindung zu festigen durch die Verbreitung von „Informationen“ die von den Lesern aus der Region geliefert wurden. Unter dem Stichwort User-Generated-Content wurde diese Idee neu verpackt – der Qualität hat es nicht gedient. Würde die Idee der Bürgerreporter auf die Fußballbundesliga übertragen werden, liefen nach der Winterpause ambitionierte aber nicht wirklich trainierte Freizeitkicker in die Stadien ein, um den überbezahlten Stars des runden Leders einmal zu zeigen, was auf dem Feld noch möglich ist – außer dem routinierten Abarbeiten angelernter Spielzüge. Vielleicht will das aber gar keiner sehen und vielleicht haben deshalb bisher sowohl Uli Hoeneß als auch Felix Magath auf die Umsetzung dieser Idee verzichtet. Auch wenn das Kicken auf Straßen und Plätzen seinen Reiz für die Macher haben kann, bleibt die Attraktivität für die Zuschauer gering.
Glücklicherweise besteht bei den Managern der Fußball-Vereine und den Amateurkickern ein größeres Bewusstsein für Qualität, als das bei Verlagsleitern der Fall ist, die ihre Publikationen durch die Arbeit der Bürgerreporter bereichern oder den Fotoamateuren die am Wochenende mal von der Titelseite träumen. Vor dem Hintergrund der heutigen Bedeutung von Bildern im Allgemeinen und Fotografie im Besonderen ist es an der Zeit, endlich ein Bewusstsein für Qualität in der Fotografie zu schaffen und Fotografie angemessen zu honorieren, statt sie nur als Kostenfaktor zu betrachten.
Ein Zwischenruf für Bildwerk3