Laudatio für Andrea Diefenbach
Für ihre Reportage „Land ohne Eltern“ erhielt Andrea Diefenbach den n-ost-Reportagepreis 2012 in der Kategorie Fotoreportage. Die Laudatio würdigt ihre Arbeit, schildert die Entstehung der Geschichte und beschreibt kritisch die aktuellen Publikationsbedingungen im Fotojournalismus.
Drei Fotostrecken, lagen nach einer Stunde noch auf dem Tisch im Konferenzsaal der BMW-Stiftung Herbert Quandt. Aus 23 eingereichten Arbeiten wählte die Jury „Land ohne Eltern“ von Andrea Diefenbach, „Die sibirische Schönheit“, von Anastasia Taylor-Lind, und Ron Hornstras „Palast der Proletarier“, als nominierte Geschichten für den n-ost Reportagepreis 2012 in der Kategorie Foto.
Gewonnen hat: Andrea Diefenbach.
Ihre Fotoreportage „Land ohne Eltern“ schildert die Folgen der Arbeitsmigration innerhalb Europas. Ebenso unprätentiös wie einfühlsam beschreibt Andrea Diefenbach die Schicksale von Kindern in Moldawien, die ohne ihre Eltern aufwachsen müssen, weil diese das Land verlassen haben um woanders ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Andrea Diefenbach zeigt den Alltag von Kindern, die sich an Stelle von Mutter oder Vater um ihre Geschwister kümmern müssen. Sie zeigt Kinder, die ihrer Kindheit beraubt werden, weil ihre Eltern versuchen der Armut im eigenen Land zu entkommen. Es ist eine dramatische Situation, die Andrea Diefenbach dem Betrachter eindringlich und ohne falsches Pathos vor Augen führt. Ihre Bildsprache zeigt Sympathie und Respekt für die Menschen die sie portraitiert. Ihre Reportage heroisiert nicht, sie verniedlicht aber auch nicht. Andrea Diefenbach 1974 in Wiesbaden geboren, studierte in Bielefeld Fotografie. Sie ist die Vertreterin einer neuen Generation von Fotografinnen und Fotografen, die sich als Bild-Autoren verstehen und die Umsetzung ihrer Themen und Geschichten in die eigene Hand nehmen, statt darauf zu warten, das ihr Expose die Redaktionshierachien durchwandert.
Andrea Diefenbach fotografierte „Land ohne Eltern“ zunächst auf eigenes Risiko, bevor sie den Auftrag einer Zeitschrift erhielt, der ihr eine weitere Reise nach Moldawien ermöglichte. Die Fotografin übernahm das finanzielle Risiko, bevor ein Verlag sich beteiligte. Ich erwähne es, obwohl es inzwischen normal ist, weil es nicht normal sein sollte. Es ist ein inzwischen völlig übliches Verfahren. Beauftragt wird nur noch was planbar ist. Investiert wird nur in das, was im Voraus berechenbar ist. Fotojournalismus wird immer mehr zum privaten Investment der Fotojournalisten.
Andrea Diefenbach hat ihre Geschichte trotzdem gemacht. Während journalistische Arbeit von vielen Verlags-Verantwortlichen nur noch als Kostenfaktor gesehen wird, den es einzusparen gilt, wächst beim Leser der Wunsch nach Qualität und nach in die Tiefe gehender Information. Gerade die journalistische Fotografie spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die Publikationsbedingungen in Zeitungen und Zeitschriften geben den gezahlten Honoraren den Charakter von Schmerzensgeldern. Der Umgang mit den Bildern ist zum Teil indiskutabel. Die Jurysitzung der Kategorie Foto dauerte länger als die Gespräche der anderen Jurys. Dies nicht etwa weil die Entscheidung strittig war, vielmehr war es so, dass die Jury zum Teil um Fassung rang, beim Blick auf die eingereichten Arbeiten – nicht wegen der Fotos, sondern mit Blick auf das, was die Gestalter mit den Fotos gemacht hatten. Es waren zum Teil durchaus renommierte Blätter in denen Fotografinnen und Fotografen die eingereichten Bildstrecken veröffentlicht hatten. Was im Layout aus den Geschichten gemacht wurde, erfüllte jedoch oft den Tatbestand der Beleidigung. Beleidigung der Fotografinnen und Fotografen. Beschnitten bis zur Unkenntlichkeit standen Bildfragmente in Bleiwüsten. Auserzählte Geschichten wurden bis zur Unverständlichkeit zusammengekürzt. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie ein schreibender Journalist reagieren würde, wenn ein Grafiker seinen Text beherzt zusammenstreichen würde, damit bestimmte Buchstaben als Initiale aus gestalterischen Gründen am Seitenanfang erscheinen. Auch deshalb suchen Fotojournalisten immer öfter nach Wegen, Projekte in eigener Regie zu veröffentlichen. Land ohne Eltern erscheint im Herbst als Buch. Die Fotoreportage wird umfangreicher als in der Zeitschrift, gedruckt als Hardcover erscheinen. Es ist ein Weg, den viele Fotografen wählen, wenn es darum geht, eigene Projekte angemessen zu präsentieren.
Immer mehr verschwinden im Fotojournalismus die Grenzen zwischen den Medien. Fotoreportagen werden gezeigt in Büchern und Zeitschriften, im Internet oder in Museen. Die Fotografen nutzen diese Wege, die eigene Position zu zeigen. Andrea Diefenbach macht in ihren Fotos ihre Haltung zum eigenen Thema deutlich – authentisch und subjektiv. Mit dieser Grundidee erfüllt sie ein wichtiges Bedürfnis vieler Menschen. Denn die Diskrepanz zwischen inszenierter Idealisierung in vielen Medien und dem tatsächlichen Erleben des eigenen Alltags lässt den Wunsch nach Authentizität bei vielen Menschen immer stärker werden. Hierin liegt auch die große Chance des Fotojournalismus heute. Das wachsende Interesse am Fotojournalismus beweisen nicht zuletzt entsprechende Ausstellungen wie sie hier in Berlin zum Beispiel vom c/o Berlin gezeigt werden oder Fotofestivals wie das Lumix-Festival für jungen Fotojournalismus, das gerade in Hannover stattfindet.
Andrea Diefenbachs Geschichte ist ein Statement. Nicht nur für die Kinder in Moldawien sondern auch für den Fotojournalismus.
Herzlichen Dank Andrea Diefenbach.
Weitere Informationen: http://www.n-ost.org/reportagepreis
Paparazzi
Moralisch maximal flexibel befriedigen Paparazzi die Neugierde der Massen – nicht immer zur Freude der Portraitierten. Der Artikel „Falscher Priester am Totenbett“ erschien in der Ausgabe 2/2012 der Zeitschrift Pictorial.
Rezension
Eine Präsenz im Netz herzustellen ist einfach. Doch die Gestaltung der Inhalte ist nur eine Seite der Medaille. Die juristischen Fallstricke sind die andere Seite. Thomas Schwenke erklärt wie man rechtlich nicht stolpert.
Social Media Marketing und Recht, Thomas Schwenke, 576 Seiten, ISBN 978-3-86899-142-0, O’Reilly Verlag,http://www.oreilly.de
Rezension
Kommunikation hat sich verändert. Im digitalen Zeitalter verbreiten sich unüberlegte Äußerungen und peinliche Handy-Filmchen um den Globus und wirken ebenso langanhaltend wie verheerend. Bilder und Texte lösen Skandale aus, beenden Karrieren und zerstören Leben weil sie dauerhaft sichtbar bleiben. „Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter“ so der Untertitel des Buches beschreiben Bernhard Pörksen und Hanne Detl.
Der entfesselte Skandal, Bernhard Pörksen und Hanne Detel, Herbert von Halem Verlag, 248 Seiten, ISBN: 978-386962-058-9, http://www.halem-verlag.de
Rezension
Genauso schnell wie ein Foto gemacht ist kann es um das Werk zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen. Wer Fotos macht oder sie publiziert sollte wissen, auf welcher Grundlage das passiert – und wie man Probleme vermeidet. Florian Wagenknecht und Dennis Tölle erklären das Thema umfassend.
Recht am Bild, Florian Wagenknecht und Dennis Tölle, 316 Seiten, ISBN: 978-3-86490-010-5, dpunkt.verlag, http://www.dpunkt.de
Visa pour l‘ Image in Perpignan 2011
Seit 23 Jahren ist Perpignan der Ort, wo sich am Ende des Sommers Fotojournalisten, Agentur-Verantwortliche und Bildredakteure treffen – und von besseren Zeiten träumen. Der Beitrag „Früher war mehr Lametta“ erschien in der Ausgabe 6/2011 der Zeitschrift Pictorial.
Manipulationen in der Fotografie
Galt früher, dass man nur der Statistik glauben solle, die man selbst gefälscht habe, erklären Prominente heute: „Ich glaube nur dem Foto, das ich selbst bearbeitet habe“. Der Artikel „Wer hat an der Uhr gedreht?“ erschien in der Ausgabe 5/2011 der Zeitschrift Pictorial.
Ständig gejagt – Die Künstlerin Kathrin Günter.
10 Jahre Fotojournalismus an der Hochschule Hannover
Im März 2011 feierte der Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie den zehnten Jahrestag seiner Ausrichtung auf die publizistische Fotografie. Aus Anlass des Jubiläums sprach Chefredakteur Dr. Stefan Hartmann für die Zeitschrift Pictorial mit Prof. Lars Bauernschmitt über die Ausbildung im Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover.
Hartmann: Was lernen Studenten, die sich für ein Studium des Fotojournalismus und der Dokumentarfotografie an der Fachhochschule Hannover entscheiden?
Bauernschmitt: Die Studierenden lernen, sich mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen, zu den Geschehen Stellung zu nehmen und in ihren Fotos eine persönliche Haltung zum Dargestellten deutlich zu machen. Der Lehrplan umfasst deshalb sowohl theoretische als auch praktische Fächer, die die angehenden Fotojournalisten in die Lage versetzen, Erlebtes zu reflektieren und in persönliche Bildsprachen zu übersetzen. Die Inhalte des ersten Studienabschnitts dienen u.a. auch dazu, die Studierenden auf die im fünften Semester vorgesehenen Praktika vorzubereiten. Im Verlauf des zweiten Studienabschnitts erfolgt die Entwicklung persönlicher inhaltlicher und bildsprachlicher Schwerpunkte.
Hartmann: Sie legen großen Wert auf die praktische Ausrichtung ihrer Ausbildung. Wodurch erreichen sie die?
Bauernschmitt: Ziel unserer Ausbildung ist die Vorbereitung auf die berufliche Situation die dem Berufsanfänger keine Zeit mehr lässt, den Job erst im Job zu erlernen. Zentrales Element unserer Ausbildung ist deshalb das Zusammenwirken von theoretischen Seminaren, praktischen Übungen, Praktika und die Abwicklung konkreter Aufträge. Fester Bestandteil des Studiums ist ein 19-wöchiges Pflichtpraktikum, das in der Regel im fünften Semester absolviert wird. Praktikums-Partnerschaften bestehen mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), der Neuen Presse (Hannover) sowie dem Weser Kurier in Bremen. Im Rahmen dieser sechsmonatigen Praktika sind immer zwei Studierende gleichzeitig in den jeweiligen Redaktionen als Fotografen tätig und fest in die tägliche Produktion eingebunden. Darüber hinaus absolvierten unsere Studenten Praktika u.a. bei der Berliner Zeitung, Brigitte, Geo, Stern und der Zeit. Zum Erproben konkreter Auftragssituationen werden regelmäßig Projekte mit externen Auftraggebern realisiert. Diese werden in Ausstellungen gezeigt und in Zeitungen und Zeitschriften sowie Bildbänden veröffentlicht. Im Rahmen solcher Projekte fotografierten wir unter anderem im Auftrag der Niedersächsischen Sparkassenstiftung für die Niedersächsischen Musiktage oder die Zeitschrift Brigitte. Die Ergebnisse des Projekts „Grün ist es im Licht“ wurden im Sommer 2009 in der Kubus Galerie in Hannover gezeigt und die fotografischen Arbeiten zum Thema „Schein und Sein“ in elf Museumsausstellungen in ganz Ostfriesland im Sommer 2010. Im April diesen Jahres lief die bundesweit beachtete Ausstellung „Hellfeld“ in der zwölf Reportagen unserer Studierenden über die Arbeit der Polizei Hannover präsentiert wurden, zu der auch ein Katalog erschienen ist. Dazu kommen bisher drei komplette Ausgaben der Zeitschrift MARE, für die inzwischen 18 Studentinnen und Studenten auf der ganzen Welt fotografiert haben. Im Moment fotografiert eine Gruppe Studierender ebenfalls weltweit für die Volkswagenstiftung.
Hartmann: Wie gliedert sich das Studium?
Bauernschmitt: Im Verlauf von acht Semestern Regelstudienzeit erlernen die Studierenden, neben den handwerklichen Grundlagen der Fotografie, den Fotojournalismus als Reportage oder Einzelbild, sowie die Dokumentarfotografie und die künstlerische Fotografie. Während am Beginn der Ausbildung die Vermittlung allgemein gestalterischer und fotografischer Grundlagen erfolgt, findet im Verlauf des Studiums eine Vertiefung der Inhalte statt. In den Seminaren zur Kurzzeitreportage und der Langzeitreportage lernen die Studierenden in den ersten beiden Semestern zunächst die Erzählform der Reportage kennen. Neben fotografischen Fragen werden hier zum ersten Mal auch Fragen journalistischer Arbeitsweisen wie der Recherche und der Faktensicherung erklärt. Als Ergänzung erfolgt in den Seminaren zur Bildsprache, zur künstlerischen Fotografie und der Dokumentarfotografie die Auseinandersetzung mit weiteren fotografischen Erzählweisen. In den Seminaren zur Portraitfotografie, zur Arbeit mit künstlichen Lichtquellen und der Studiopraxis sollen die Studierenden in die Lage versetzt werden, auch fotografische Inszenierungen zu entwickeln. Zur Vorbereitung auf die berufliche Praxis vermitteln die Seminare zur redaktionellen Fotografie, zum Marketing und zum Fotorecht die Inhalte, die heute für die tägliche Praxis eines „Fotografen als Unternehmer“, so auch der Titel des gleichnamigen zweiteiligen Seminars, unerlässlich sind.
In den Seminaren zur Auslandsreportage, zur Reisefotografie und den Seminaren zur PR-Fotografie lernen die Absolventen wichtige Felder kennen, in denen Fotojournalisten heute tätig sind. Ergänzt werden die praktisch-fotografischen Fächer durch Angebote zur Kunstgeschichte im Allgemeinen und zur Fotogeschichte im Besonderen, sowie durch Unterrichtseinheiten zur Medienethik. In den Seminaren zum Fotobuch und zur Online-Reportage wird als Vorbereitung auf die Abschlussarbeit jeweils ein selbst gewähltes Thema innerhalb eines Semesters in einer darauf abgestimmten Bildsprache fotografiert und als Print- und Online-Publikation präsentiert.
Hartmann: Sie bauen den Studiengang weiter aus, während sich die Publikationsbedingungen für journalistische Fotografie in den Zeitungen und Zeitschriften seit Jahrzehnten verschlechtern. Haben ihre Absolventen überhaupt eine Chance später von der Fotografie zu leben?
Bauernschmitt: Der Markt spaltet sich. Auf der einen Seite erleben wir, wie immer mehr journalistische Medien die erzählerische Fotografie durch illustrative Symboloptik ersetzen und statt auf die Kraft des erzählerischen Fotos zu setzen, Foto-Placebos drucken, die mit Journalismus nichts zu tun haben. Gleichzeitig äußert sich in den gezahlten Honoraren eine Missachtung für die Arbeit von Fotojournalisten die bedenklich ist. Wenn ein Auftraggeber einem Fotografen 200,- € Tagessatz oder weniger zahlt dann darf er sich nicht wundern, wenn sich die Fotografen von ihm abwenden. Auf der anderen Seite erkennen immer mehr Zeitungen und Zeitschriften inzwischen welche Bedeutung gute Fotografie für die Glaubwürdigkeit ihres Qualitätsversprechens hat und setzen deshalb wieder auf die Stärken des stillen Bildes. Natürlich bilden wir unsere Studierenden nicht aus in dem Glauben, dass sie hinterher ausschließlich für Stern oder Geo arbeiten. Neben den journalistischen Publikationen sollen unsere Absolventen in der Lage sein, nach Ende ihrer Ausbildung auch für die Haus-, Firmen und Kundenzeitschriften von Unternehmen und Verbänden zu arbeiten, also Public Relations zu fotografieren. Hier werden Fotografinnen und Fotografen gesucht, die journalistisch denken um die Anliegen der Auftraggeber glaubwürdig zu transportieren. Wir bilden unsere Studierenden damit für einen Bereich aus, der ständig wächst und es den Absolventen erlaubt, nach der Ausbildung auch tatsächlich von ihrer Fotografie zu leben. Wir bilden jedenfalls keine knipsenden Taxifahrer aus. Mich wundert, dass die Frage nach der finanziellen Zukunft immer nur uns Fotojournalisten gestellt wird, während Ausbildungsgänge, die sich der künstlerischen Fotografie zuwenden, sich solche Fragen nie stellen lassen müssen, obwohl man dort nun wirklich kaum Möglichkeiten findet, mit dem Erlernten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Hartmann: Wie schätzen Sie die aktuellen medialen Entwicklungen ein?
Bauernschmitt: Wir stecken mitten im Strukturwandel der Medien. In ganz unterschiedlichen Teilbereichen kommt es zu gravierenden Veränderungen, die Auswirkungen haben auf alle anderen Bereiche. Während die Auflagen der Zeitungen und Zeitschriften sinken, kommen in Deutschland pro Jahr ungefähr 120 neue Publikationen neu auf den Markt. Da die Zahl der Einstellungen deutlich geringer ist gibt es also von Jahr zu Jahr mehr Blätter. Die Zahl der potentiellen Auftraggeber steigt also. Gleichzeitig stellen sich diese Publikationen multimedial auf und versuchen, sich als Medienmarken zu etablieren. Die Bedeutung des Fotojournalismus in allen Medien wächst ständig. Aber es gibt insgesamt noch immer ein viel zu geringes Bewusstsein für seine Bedeutung. Dem Fotojournalismus als Teil der vierten Gewalt kommt gerade in unserer Zeit eine besondere Bedeutung zu. Medienkompetenz ist eine der Kernkompetenzen der Mediengesellschaft. Ohne das Wissen um die Funktion der Medien und die Kenntnisse der Publikationsbedingungen ist eine aktive Teilhabe am heutigen gesellschaftlichen Leben nicht möglich. So gesehen hat die Ausbildung im Fotojournalismus eine größere Bedeutung als jemals zuvor.
Hartmann: Was bedeutet das für die Fotografen?
Bauernschmitt: Fotografinnen und Fotografen müssen heute auf sehr viel mehr Feldern aktiv sein als noch vor zwanzig Jahren. Während es damals genügte redaktionell als Fotograf tätig zu sein, müssen Fotografen inzwischen in der Lage sein, unterschiedliche Medien zu bedienen. Sie müssen heute Fotos online präsentieren können, sei es als Slide Show oder in Kombination mit Bewegtbildern. Fotografen müssen dazu auch brauchbare Ton-Aufnahmen machen können und Bewegtbilder herstellen können. Sie müssen zu ihren Geschichten Texte verfassen und Interviews führen können. Zwar fehlen im Moment noch Lizensierungsmodelle, die es den Autoren erlauben, von diesen Honoraren zu leben doch zahlen etablierte Verlage inzwischen so geringe Beträge, das sie ungewollt zum wichtigsten Motor der Entwicklung neuer Publikations- und Abrechnungsmodelle werden die in Kürze etabliert sein werden.
Hartmann: Und Ihre Studenten lernen im Rahmen ihrer Ausbildung auf diese Veränderungen zu reagieren?
Bauernschmitt: Ja. Im Zuge der Akkreditierung des Studiengangs Fotojournalismus und Dokumentarfotografie haben mein Kollege Rolf Nobel und ich den Lehrplan neu geschrieben und den veränderten Publikationsbedingungen angepasst. Unsere Studenten erlernen neben der Reportage-Fotografie auch Print- und Online-Layout, journalistisches Schreiben, Grundlagen des filmischen Erzählens und Online-Publizieren. Wir vermitteln unseren Studierenden journalistisches Denken und die Fähigkeit, ihre Geschichten in unterschiedlichen Medien zu publizieren. Eine Gruppe Studierender hat bereits während des Studiums eine eigene Firma gegründet. Anna Jockisch, Shooresh Fezoni, Michael Hauri und Daniel Nauck arbeiten als 2470media erfolgreich für Unternehmen und Verbände. Zu ihren Auftraggebern für Multimediaproduktionen zählen unter anderem der Deutsche Fußballbund (DFB), die Care-for-Rare Foundation, die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Biomarkt-Kette Alnatura, das Reporter-Forum e.V. sowie die tageszeitung (taz). Im Dezember gewannen sie zusammen mit Felix Seuffert den Deutschen Reporterpreis in der Kategorie „Beste Web-Reportage“. Die von Michael Hauri produzierte Serie „Und dann wurde ich Muslim“ steht aktuell auf der Shortlist für den Axel-Springer-Preis 2011.
Hartmann: Das sind aber nicht die einzigen Erfolge ihrer Studenten.
Bauernschmitt: Unsere Studierenden gewinnen im Durchschnitt alle vierzehn Tage einen Preis oder eine Auszeichnung. Seit vielen Jahren finden sich unsere Studierenden immer wieder auf vorderen Plätzen bei nationalen und internationalen Foto-Wettbewerben. So wurde Jan Lieske im Mai 2010 für seinen Essay »We are Suffering Here – Dead End Rosarno« über die unmenschlichen Lebensbedingungen afrikanischer Erntehelfer im süditalienischen Rosarno mit dem international renommierten »Mark-Grosset-Preis« ausgezeichnet. Dies ist umso bemerkenswerter als sich damit zum dritten Mal ein Student des Studiengangs Fotojournalismus und Dokumentarfotografie bei diesem internationalen Einladungswettbewerb gegen die weltweite Konkurrenz durchsetzen konnte. Besondere Beachtung verdient die Tatsache, dass die Studierenden nicht nur bei Wettbewerben zur klassischen Reportagefotografie erfolgreich sind, sondern darüber hinaus auch bei Wettbewerben auf vorderen Plätzen stehen, die sich der Wissenschafts- oder Modefotografie widmen. Eine besondere Form der Förderung stellt der 2008 neu konzipierte VGH Fotopreis dar. Er richtet sich in Form eines bundesweit einmaligen Kultursponsorings ausschließlich an junge Fotojournalisten der Fachhochschule Hannover. Im Rahmen dieser besonderen Kooperation haben die Teilnehmer die Möglichkeit neben 10.000 Euro auch die Produktion eines Kataloges zu einer eigenen Ausstellung zu gewinnen.
Hartmann: Bleibt zum Schluss nur noch zu fragen, was sie als nächstes planen?
Bauernschmitt: Auf Grund der ständig wachsenden Bewerberzahlen werden wir statt 28 in Zukunft jedes Jahr 44 Studenten aufnehmen und als Konsequenz daraus neben zwei neuen Professuren noch eine weitere Fachlehrerstelle schaffen. Darüber hinaus planen wir eine internationale Klasse, in der wir mit einem englischsprachigen Lehrangebot auf die vielen Anfragen aus dem Ausland reagieren wollen. Und dann steht das 3. LUMIX-Festival für jungen Fotojournalismus an. Auch wenn es erst im Juni 2012 stattfinden wird, laufen die Vorbereitungen bereits jetzt auf Hochtouren.
Weitere Informationen unter http://www.fotostudenten.de
Kriegsfotografie
Ein Krieg ist immer auch ein Kampf um die öffentliche Meinung, bei dem die Verantwortlichen versuchen, das veröffentlichte Bild des Krieges zu beeinflussen. Auch nach mehr als 150 Jahren bleibt die Kriegs-Fotografie ein Spagat zwischen Beobachtung, Inszenierung und Zensur. Der Artikel „Auf einem Kriegsschiff ist kein Platz für einen Journalisten“ erschien in der Ausgabe 2/2011 der Zeitschrift Pictorial.
Die Zusammenarbeit einer Bildagentur und eines Fotografen sollte von beiden Seiten langfristig angelegt werden. Kurzfristige Kooperationen machen wenig Sinn und kosten beide Seiten nur Zeit und Geld. Die Entscheidung zur Zusammenarbeit muss deshalb von beiden Seiten gründlich überlegt geschehen. Der Beitrag „Die Zusammenarbeit zwischen Bildagentur und Fotograf“ erschien zwischen 2003 und 2011 jährlich überarbeitet im BVPA Handbuch der Bildermarkt.
Rezension
Kamera kaufen – losknipsen – reich werden … wenn es bloß so einfach wäre. Der Einstieg in den Traumjob als Fotograf erfordert mehr als den bloßen Druck auf den Auslöser. Jens Brüggemann beschreibt was zu tun ist damit aus der schönen Idee Realität wird. Grausam nüchtern aber umfassend informativ. Mit Schwerpunkt auf der Werbefotografie, trotzdem lesenswert auch für angehende Fotojournalist*innen.
Beruf Fotograf, Jens Brüggemann, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, erschienen bei mitp, 232 Seiten, ISBN 978-3-8266-9126-3, http://www.hjr-verlag.de
Streetphotography
Flanieren und fotografieren. Sich einfach treiben lassen, immer auf dem Sprung dem pulsierenden Nebeneinander des Lebens der Stadt eine fotografische Form zu geben. Kaum ein anderes Sujet fasziniert Foto-Journalisten mehr als die Streetphotography, und als Zeitdokumente gewinnen die Fotos vom Geschehen im öffentlichen Raum zunehmend an Bedeutung und immer mehr Liebhaber. Der Beitrag „Die Strasse als Bühne – Streetphotography“ erschien in der Ausgabe 1/2011 der Zeitschrift Pictorial.
Perpignan. Foto: Insa Catherine Hagemann
Ambitionierte Hobbyfotografen wollen ihre Fotos veröffentlicht sehen. Das ist legitim aber kein Journalismus.
Gewohnt souverän schafft Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg wie immer Spitzenwerte. In der Beliebtheit schlägt er die Bundeskanzlerin und wenn es um Nutzungsrechte an seinem Portrait geht überrundet er sogar Otto Waalkes. Während Fotos, die den alternden Komiker beim Schreiben von Autogrammen zeigen, für 25,- € zu haben sind, kostet ein einfaches Guttenberg-Foto auf der PlattformTvype das Doppelte. Nun sollte Otto aber nicht gleich verzweifeln, Fotos der Straßenbahn, die auf der Chausseestrasse in Berlin wegen Stromausfalls liegen geblieben ist, können Interessierte bereits für 15,- € erwerben. Die Preise sind so die Selbstdarstellung des Anbieters „professionell ermittelt“. Doch die Plattform leistet mehr: „Erfahrene Bildredakteure helfen interessierten Amateuren das maximale aus ihrem Hobby herauszuschlagen – einfach schnell und transparent.“ Doch nicht nur die Preiskalkulation ist einfach, auch ethische Fragen werden für interessierte Lieferanten gelöst. Die Plattform ist „Ihr Partner auf der Suche nach aktuellen, nutzergenerierten Inhalten. Wir kümmern uns um die Auswahl der Fotos/Videos und klären für Sie alle ethischen und rechtlichen Fragen.“ Alles also ganz einfach. Eigentlich muss man nur den Auslöser finden und das Foto hoch laden um weltweit wahrgenommen und veröffentlicht zu werden.
Seit Fotos digital fotografiert mit einer Kamera oder dem Handy sich über den eigenen Rechner im Internet präsentieren lassen kann jedermann und –frau dem weltweiten visuellen Overload weitere Beiträge hinzufügen. Demokratisierung nennen das die Verantwortlichen und sehen in ihrem Angebot einen Beitrag, die Inhalte der Medien mehr an den Interessen der Leser auszurichten. Kommen so doch endlich Themen auf die Agenda, die bisher dem Mainstream geopfert wurden. Und wenn man sich dann noch in einem Atemzug mit Wikileaks nennt bekommt der Gedanke gleich etwas Revolutionäres.
Schöne Idee.
Schon immer gab es Fotografinnen und Fotografen, die einfach zum eigenen Vergnügen Bilder machten. Seit Erfindung der Fotografie entstehen durch Amateure hervorragende Aufnahmen, die auch ihren Weg zur Veröffentlichung fanden. Auf dem Markt illustrativer Einzelbilder tummeln sich Fotografen, die aus Spaß an der Freude Bilder machen, die denen professioneller Fotografen in Nichts nachstehen und von Bildagenturen weltweit vertrieben werden. Technisch-handwerklich sauber gemacht dienen diese Bilder als Dekoration ohne Tiefgang und Bedeutung. Die Fotos haben keine Botschaft und transportieren keine Haltung. Beliebig einsetzbar und genauso austauschbar. Illustration – nur eben kein Journalismus. Journalismus ist etwas anderes. Journalismus ist die Übermittlung von Fakten und das Vertreten einer Haltung. Journalismus bedeutet Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen. Journalismus braucht Zeit. Fakten recherchieren und überprüfen dauert solange wie es dauert. Um eine Position zu einem Geschehen zu entwickeln, muss es reflektiert werden. Die Publikation relevanter Informationen darf nicht davon abhängen, ob ein Autor gerade Zeit hat oder nicht, weil er noch einem anderen Job nachgehen muss um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Natürlich können auch Amateure bei aktuellen Ereignissen akzeptable fotografische Ergebnisse erreichen, die Masse schafft es aber leider nicht. Die überwiegende Zahl der Fotos der Bürgerreporter ist schlecht fotografiert und thematisch irrelevant – außer für diejenigen, die gerade in der Straßenbahn saßen, als der Strom ausfiel. Wenn Bürgerreporter als Ergänzung oder Ersatz für professionelle Journalisten angesehen werden, haben etablierte Medien durch ständige Einsparungen, die immer zu Lasten der Qualität gingen, dazu beigetragen, den Sinn für Qualität bis auf den absoluten Nullpunkt zu senken.
Schon immer suchten lokale Publikationen die Leser-Blatt-Bindung zu festigen durch die Verbreitung von „Informationen“ die von den Lesern aus der Region geliefert wurden. Unter dem Stichwort User-Generated-Content wurde diese Idee neu verpackt – der Qualität hat es nicht gedient. Würde die Idee der Bürgerreporter auf die Fußballbundesliga übertragen werden, liefen nach der Winterpause ambitionierte aber nicht wirklich trainierte Freizeitkicker in die Stadien ein, um den überbezahlten Stars des runden Leders einmal zu zeigen, was auf dem Feld noch möglich ist – außer dem routinierten Abarbeiten angelernter Spielzüge. Vielleicht will das aber gar keiner sehen und vielleicht haben deshalb bisher sowohl Uli Hoeneß als auch Felix Magath auf die Umsetzung dieser Idee verzichtet. Auch wenn das Kicken auf Straßen und Plätzen seinen Reiz für die Macher haben kann, bleibt die Attraktivität für die Zuschauer gering.
Glücklicherweise besteht bei den Managern der Fußball-Vereine und den Amateurkickern ein größeres Bewusstsein für Qualität, als das bei Verlagsleitern der Fall ist, die ihre Publikationen durch die Arbeit der Bürgerreporter bereichern oder den Fotoamateuren die am Wochenende mal von der Titelseite träumen. Vor dem Hintergrund der heutigen Bedeutung von Bildern im Allgemeinen und Fotografie im Besonderen ist es an der Zeit, endlich ein Bewusstsein für Qualität in der Fotografie zu schaffen und Fotografie angemessen zu honorieren, statt sie nur als Kostenfaktor zu betrachten.
Ein Zwischenruf für Bildwerk3
Das Fotoprojekt „Hellfeld“ des Studiengangs Fotojournalismus und Dokumentarfotografie mit der Polizeidirektion Hannover
Zwischen Oktober 2010 und Januar 2011 begleiteten 12 Studierende des Studiengangs Fotojournalismus und Dokumentarfotografie der Hochschule Hannover auf Einladung der Polizeidirektion Hannover einzelne Beamte oder ganze Einheiten der Polizei rund um die Uhr und fotografierten ihren Arbeitsalltag. Die dargestellten Themen decken ganz unterschiedliche Aspekte der Polizeiarbeit ab. Ziel des Projektes war die Erstellung von 12 Bildstrecken über die Arbeit der Polizei Hannover. Bildstrecken, die anschließend als Teil der Öffentlichkeitsarbeit zur Darstellung der Polizeiarbeit sowohl nach Innen als auch nach Außen genutzt werden sollen. Die Fotografinnen und Fotografen waren aufgefordert, die Arbeit der Polizei zu beobachten und aus der jeweiligen Situation heraus in beobachtete Bilder zu übersetzen.
Download Einleitung: Werbung_fuer_die_Bullen_lb2011
Fotoreportage von Florian Müller im Rahmen des Projektes „Hellfeld“
Ihr martialischer Auftritt täuscht. Die PI-West in Hannover sucht die Deeskalation und meist sind sie dabei auch erfolgreich. Alle vierzehn Tage sind sie im Stadion am Maschsee, aber von den Fussball-Spielen sehen sie kaum etwas. Sie sind vor Ort bevor etwas passiert – damit das so bleibt.
„Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“ (Jean-Paul Sartre). Dieses Zitat trifft auch auf die dritte Halbzeit zu, also die Zeit der mehr oder weniger verabredeten Auseinandersetzungen „erlebnisorientierter“ Fans verschiedener Vereine im Rahmen eines Fußballspiels.
Die Mannschaft der Polizeiinspektion West, die gewalttätige Ausschreitungen im Großen wie im Kleinen verhindern soll, gewährte mir einen offenen Einblick in ihre Aufstellung und Spieltaktik. Von den wiederkehrenden Vorwürfen über eine destruktive Spielweise durch die Kriminalisierung der Fans oder gar von „Hooligans in Uniform“ kann ich nichts berichten. Sie lassen ihrem „Gegner“ Raum, lauern und setzen abgeklärt auf Konter, um einen Angriff schon frühzeitig auszubremsen. Das Konzept der Mannschaft in Blau geht auf!
Fotoreportage von Joanna Nottebrock im Rahmen des Projektes „Hellfeld“
Spurensuche im Anblick menschlicher Tragödien. Der Kriminaldauerdienst ermittelt bei Mord und Totschlag ebenso wie bei Einbruch und Vergewaltigung. Für die Tatortaufnahme zählen Details.
„90 Stunden Nachtschicht, 700 Kilometer im Streifenwagen, drei Vernehmungen, eine Verhandlung im Gericht und eine Schulung „Häusliche Gewalt“ machten mich in den letzten drei Monaten fast selbst zum Profi beim Einsatz in den privaten vier Wänden.“ So das Fazit von Joanna Nottebrock nachdem sie vier Monate die Arbeit der Spurensicherung beobachtete.
Fotoreportage von Ole Krünkelfeld im Rahmen des Projektes „Hellfeld“
Dealer, Exhibitionisten, Schläger. In der Nachtschicht begegnen die Beamten der Polizei all denjenigen, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen – aber auch denen, die schon einen Schritt weiter sind.
Die Polizei steht an der Schwelle zwischen Zivilisation und Anarchie. Diese, zugegeben, etwas pointierte Darstellung entspricht im Kern doch meinem in zahlreichen Nächten gewonnenen Bild der Polizeiarbeit in Hannovers Mitte. Nur wenige Berufsstände in unserer Gesellschaft spüren so unmittelbar die Ausschläge gesellschaftlicher Veränderungen wie die Polizei.
In Bars, Clubs und Discotheken zeigt so mancher sein wahres Gesicht. Menschen werden zu Tätern und Opfern. Auch die großen Haie sind im Steintorviertel aktiv und versuchen, die ihnen gesteckten Grenzen auszuloten. Skurrile Nachtgestalten schlagen in der Polizeiwache auf. Viele harmlos, einige pathologisch. Im gleichen Maße in dem der exzessive Alkoholkonsum und die Gewalt steigen, sinkt die Anerkennung der Polizei als legitimierte Ordnungskraft. Trotzdem sind unentwegt jede Nacht Polizeibeamte unterwegs, um für etwas mehr Licht in der Dunkelheit zu sorgen.
Fotoreportage von Insa Catherine Hagemann im Rahmen des Projektes „Hellfeld“
Sie kommen zu selten und wenn kommen sie meist zu spät. Aber die Opfer decken die Täter meist viel zu lange. Gewalt im sozialen Nahraum geschieht im Verborgenen. In allen gesellschaftlichen Schichten.
Häusliche Gewalt hat nichts mit Liebe zu tun und ist auch nicht selten in unserer Gesellschaft. 95% aller Gewalt in Beziehungen geht von den Männern aus und Schätzungen zu Folge hat jede 3. Frau bereits Gewalt in einer Partnerschaft erlebt. Öffentlich wahrgenommen wird dies jedoch kaum, nur zu weit verbreitet ist das ungeschriebene Gesetz eine Partnerschaft sei Privatsache.
Psychischer Druck oder mangelnde Sprachkenntnis erschweren die Situation, so dass nur vereinzelt die Polizei bei Gewalt gerufen wird. Wird dann der Notruf als Funkmeldung 096 an die Polizei weitergegeben ist die Situation oft unklar. Frauen jeder sozialen Schicht, jeden Alters und jeder Konfession erleben Schläge, Tritte oder sogar Vergewaltigungen bis hin zum Totschlag. Doch fast schlimmer als die sichtbaren Spuren ist der psychische Druck durch Beleidigungen, Demütigen, Erniedrigen und Drohungen denen sich die Frauen nicht oder nicht mehr zur Wehr setzen. Die Polizei kann dabei oft wenig helfen und der Partner wird häufig niemals angezeigt.
Polizei, Verbrechen und Fotografie
Verbrechen lohnt nicht, die Fotografie von Verbrechen schon – zumindest für Polizei und Fotojournalisten, die das Medium für ihre Zwecke einsetzen. Der Beitrag „Der Polizeifunk gab meinem Leben Halt und Orientierung“ erschien in der Ausgabe 6/2010 der Zeitschrift Pictorial.
Die Macht der Fotografie. Für Josef Honsa (rechts aussen) folgte auf diese Aufnahme ein längerer Gefängnisaufenthalt.
Fotografie und Politik
Entscheidend ist nicht was einer sagt, sondern wie er dabei aussieht. Spätestens seit Richard Nixon ungeschminkt und schlecht rasiert im Fernsehduell gegen den jugendlichen und gut gebräunten John F. Kennedy unterlag ist den meisten Politikern die Bedeutung der Inszenierung ihres Images bewusst. Der Beitrag „Wer herrschen will muss zu den Augen sprechen“ erschien in der Ausgabe 4/2010 der Zeitschrift Pictorial.
Bildsprache im Fotojournalismus
Bis vor wenigen Jahren war alles klar: Beim World Press Photo Award galten dieselben Regeln wie in einem Hollywood-Western. Gut und Böse waren klar zu unterscheiden, Täter und Opfer sofort erkennbar. Das ist heute anders. Der Artikel „Jenseits der Monokultur“ erschien in der Ausgabe 3/2010 der Zeitschrift Pictorial.
Download Artikel: jenseits_der_monokultur_bildsprache_lb2010
Rezension
Abschluss und Abwicklung von Verträgen, Existenzgründung, Kalkulation von Aufträgen, Künstlersozialkasse …. Der Inhalt hält, was der Titel verspricht – Basiswissen. Was die Autoren aus unterschiedlichen Bereichen der fotografischen Praxis zu ihren Themen schreiben ist lesenswert nicht nur für Einsteiger und hilft teure Fehler zu vermeiden.
BFF Handbuch Basiswissen, Wolfgang Maaßen (Hrsg), 368 Seiten, ISBN: 978-3-933989-43-7,http://www.bff.de
Rezension
Während journalistische Zeitungen und Zeitschriften an Auflage verlieren, boomt der Markt der Haus-, Firmen- und Kundenzeitschriften. Kurt Weichler und Stefan Endrös beschreiben den Markt der Kundenzeitschriften, stellen ausgewählte Publikationen vor und beschreiben die Publikationen als Berufsfeld.
Die Kundenzeitschrift, Kurt Weichler und Stefan Endrös, 216 Seiten, ISBN 978-3-86764-263-7, Verlag: UVK Verlagsgesellschaft mbH, http://www.uvk.de
Kirchliches Leben in Ostfriesland – Fotoprojekt
Im Rahmen des Ausstellungsprojektes „Schein und Sein“ fotografierten Studierende der Hochschule Hannover 2009 in ganz Ostfriesland Fotostrecken zur Arbeit der Kirche und dem Leben im Umfeld der Kirchen. Entstanden ist so ein Zyklus von 11 persönlichen Blicken auf die Kirche in der Region. Erreicht wurde eine facettenreiche Darstellung Ostfrieslands, und des dort gelebten Glaubens. Die abwechslungsreiche Präsentation zeigt ein breites Spektrum von Themen und Darstellungsformen. In ihrer Gesamtheit geben die Arbeiten der Studierenden mit ihren ganz unterschiedlichen Ansätzen einen breiten Einblick in das kirchliche Leben im Alltag Ostfrieslands. Fotos von Insa Catherine Hagemann, Michael Hauri, Maria Irl, Jannis Keil, Nora Klein, Ann Sophie Lindström, Joanna Nottebrock, Matthias Popp, Felix Schmitt, Gretje Treiber und Alexander Ziegler.
Zur Situation des Handels mit Bildrechten
Fragt man Branchen-Experten nach ihrer Einschätzung der Situation am Bildermarkt bekommt man sehr unterschiedliche Antworten. Fast scheint es, als betrachteten die Kenner nicht denselben Markt. Doch der Eindruck ist richtig – verschiedene Fachleute sprechen in der Regel tatsächlich über ganz unterschiedliche Märkte. Häufig, wenn über den Handel mit Fotos gesprochen wird, ist sogar unklar, was der einzelne überhaupt als Bildermarkt betrachtet. Der Beitrag „Einen Bildermarkt gibt es nicht …“ erschien 2009 und 2010 im BVPA Handbuch der Bildermarkt.
Der Strukturwandel auf dem Medienmarkt
Trotz der Allgegenwart bewegter Bilder in den elektronischen Medien, hat das stehende Bild nicht nur seine Berechtigung sondern auch eine Zukunft. Denn allen Spekulationen über ihren baldigen Untergang zum Trotz, haben Zeitungen und Zeitschriften gerade im Internet-Zeitalter als Qualitätsmedien mehr denn je ihre Berechtigung. Der Strukturwandel auf dem Medienmarkt bietet damit auch neue Chancen für die Fotografie. Der Beitrag „Neue Chancen für das stille Bild“ erschien 2008 im BVPA Handbuch der Bildermarkt.
Rezension
Aufgeklärte Zeitungsleser und informierte Fernsehzuschauer wissen es: Die Macher in den Redaktionen sind für ihre Berichterstattung angewiesen auf Korrespondenten. Die Männer und Frauen vor Ort recherchieren und finden über persönliche Kontakte die ganze Wahrheit der (Welt)-Geschichte heraus – oder eben nicht. In seinem Buch mit dem Untertitel „Von Bildern und Lügen in Zeiten des Krieges“ beschreibt Joris Luyendijk, der fünf Jahre als Korrespondent im Nahen Osten tätig war, wie weit weg vom Geschehen der Mann vor Ort oft ist und wie wenig er manchmal tatsächlich zur Aufklärung des Geschehens in seiner (vermeintlichen) Nähe beitragen kann.
Wie im echten Leben, Joris Luyendijk, 256 Seiten, ISBN: 978-3-608-50025-7, http://www.tropen-verlag.de
Rezension
Rechtlich nicht zu beanstanden und trotzdem problematisch? Das Anwachsen der Bildmengen in den Medien hat nicht dazu beigetragen, die Auseinandersetzung mit medienethischen Fragen zum Umgang mit Bildern zu befördern. Noch immer werden Bilder in medienethischen Auseinandersetzungen meist als Beiwerk zum Text behandelt. Stefan Leifert widmet sich dem Thema setzt sich auseinander mit „Theorie und Moral im Bildjournalismus der Massenmedien“, so der Untertitel des Buches.
Bildethik, Stefan Leifert, 328 Seiten, Wilhelm Fink Verlag, http://www.fink.de
Gespräch mit National Geographic Fotograf Gerd Ludwig über seine Eindrücke des Visa pour l‘ Image in Perpignan 2006 und die Situation im internationalen Fotojournalismus. Das Gespräch erschien in der deutschen Ausgabe der Zeitschrift visuell 6/2006 und als englische Übersetzung in der internationalen Ausgabe 5/2006.
Mit einer Ausstellung im Programm des internationalen Festivals VISA POUR L‘ IMAGE in Perpignan präsentiert zu werden, ist für jeden Fotojournalisten eine besondere Auszeichnung. Der VISUM Fotograf Gerd Ludwig, der seit Jahren zur Stammmannschaft von National Geographic gehört, ist in diesem Jahr bereits zum dritten Mal mit einer Ausstellung in Südfrankreich vertreten. Vor der diesjährigen Ausstellung, The Long Shadow of Chernobyl, wurde 1995 seine Arbeit Lethal Legacy, Pollution In the USSR gezeigt. 2002 folgte seine Ausstellung Broken Empire – After the Fall of the USSR gleichzeitig mit dem Erscheinen des gleichnamigen Buches.
VISUELL: Die Arbeit wurde ja bereits in Ausstellungen gezeigt, was unterscheidet diese Präsentation in Perpignan von den vorangegangenen?
Gerd Ludwig: Die anderen Ausstellungen, unter anderem im Willy Brandt Haus in Berlin, waren Gruppenausstellungen, in denen ich auch Fotos aus Tschernobyl aus früherer Zeit gezeigt habe. Dies ist die erste grosse Tschernobyl-Einzelausstellung nur mit aktuellen Fotografien. Entscheidend für mich ist aber auch das Umfeld der Ausstellung. Die Fotos hängen hier auf dem wichtigsten internationalen Festival für Fotojournalismus. Der Organisator des Festivals, Jean-Francois Leroy, sucht weltweit nach den besten Reportagen für diese Präsentation. Nach meinen Informationen sichtet er dazu fast 4.000 Reportagen pro Jahr, um dann 30 davon in Ausstellungen zu zeigen. Die Ausstellungen hier werden von einem kenntnisreichen Publikum gesehen. Hier treffen sich Berufskollegen aus aller Welt, bewerten die Arbeiten und kommentieren sie. Dazu kommen die Besucherscharen, am Wochenende haben täglich 2.000 Menschen meine Ausstellung gesehen. In Deutschland fehlt solch ein wirklich internationales Festival, das auch Besucher aus dem Ausland in nennenswerter Zahl anzieht. Anders als z.B. im Automobil- oder im Buchbereich, wo mit der Automobilausstellung oder der Frankfurter Buchmesse die wichtigsten Veranstaltungen ihrer Branche in Deutschland stattfinden, gibt es für den Fotojournalismus in Deutschland zur Zeit keine internationale Veranstaltung, denn die Photokina ist vorrangig eine Technologiemesse.
VISUELL: Ein häufig gehörter Kritikpunkt ist das sehr eng gefasste Verständnis von Fotojournalismus. Gezeigt werden vor allem Krieg und Elend, überwiegend aus der dritten Welt. Gibt es keine anderen Themen?
Gerd Ludwig: Natürlich bilden diese Themen einen Schwerpunkt des Festivals. Hier werden in großer Zahl Arbeiten gezeigt, die Missstände anprangern. Daneben werden aber auch andere Themen gezeigt, in diesem Jahr zum Beispiel Elliott Erwitt’s Personal Best. Aber eines ist klar: In Perpignan geht es um klassischen Fotojournalismus, das ist das Konzept des Festivals, wer etwas anderes sehen möchte, ist hier falsch.
VISUELL: Bezogen auf die Bildsprachen kann man ein ähnlich eng gefasstes Verständnis feststellen. Hier wird ausschliesslich die klassische Kleinbildreportage gezeigt. Junge Bildsprachen finden hier keinen Raum.
Gerd Ludwig: Ich habe mit dem hier gezeigten keine Probleme. Ich möchte das auch gar nicht werten und natürlich kann man Fotojournalismus auch weiter fassen. Meine Bildsprache ist jedoch der klassische Fotojournalismus.
VISUELL: Unter Fotojournalismus versteht man hier in Perpignan vor allem die Darstellung der Folgen von Kriegen und Krisen. Müssten Fotojournalisten denn aber nicht viel stärker versuchen, statt der Wirkungen von Auseinandersetzungen, ihre Ursachen zu zeigen, um so zu wirklichen Veränderungen beizutragen?
Gerd Ludwig: Gegenfrage: Was sind denn die Ursachen?
VISUELL: Zum Beispiel die ungleiche Verteilung von Kapital und Produktionsmitteln.
Gerd Ludwig: Den Überfluss der westlichen Industriegesellschaften sehen wir jeden Tag vor unserer Haustür, genau das wurde vor ein paar Jahren mit den Arbeiten von Lauren Greenfield über die Hollywood Kids gezeigt. Fotografie stösst irgendwann einfach an die Grenzen der Darstellbarkeit von Zusammenhängen. Ich kann nur den Krieg im Irak zeigen, dass es dabei um die Kontrolle der Ölvorkommen geht, kann ich in Fotos nicht darstellen. Das kann Fotografie nicht leisten, da ist Fotografie allein das falsche Mittel. Das können Worte oder Dokumentarfilme besser.
VISUELL: Arbeiten deutscher Fotografen sind in Perpignan sehr selten zu sehen. Woran liegt das?
Gerd Ludwig: Das hängt mit der mangelnden Auseinanderstzung deutscher Fotografen mit Themen von globalen Dimensionen zusammen. Deutsche Fotografen suchen immer den deutschen Ansatz, statt sich mit den internationalen Dimensionen eines Themas zu beschäftigen. Sie fotografieren lieber deutsche Sextouristen in Thailand, statt sich des globalen Themas Sextourismus zu widmen. Deutsche Fotografen lösen sich zu selten vom nationalen Kontext und haben eine Scheu, sich zu internationalen Themen zu äußern. Sehen Sie doch nur den Fall der Mauer, Antony Suau und James Nachtwey lieferten die wichtigsten Fotos. Selbst bei diesem Weltereignis im eigenen Land traten deutsche Fotografen kaum in Erscheinung. Auf der anderen Seite interessiert die Umwandlung der Zechen im Ruhrgebiet in Freizeitanlagen international niemanden. Man muß natürlich sehen, dass die heutige Situation auch historische Ursachen hat. Zwar ist Deutschland die Wiege des klassischen Fotojournalismus, durch die Nazi-Herrschaft und das Dritte Reich kam es aber zu einem Exodus an genialen Journalisten und Blattmachern wie Erich Salomon, Felix H. Man, Alfred Eisenstaedt und vielen anderen, der immer noch Folgen hat. Und da Deutschland keine bedeutende Kolonialmacht war und daher keine Einflussbereiche hatte, kam es selten zu einer direkten, emotionalen Auseinandersetzung deutscher Fotojournalisten mit Themen der dritten Welt. Sicher spielt aber auch die Ausbildung der Fotojournalisten in Deutschland hier eine Rolle. Es ist doch bezeichnend, dass nur Prof. Rolf Nobel aus Hannover hier ist und mit seinen Studenten eine Ausstellung zeigt.
VISUELL: Sie arbeiten fast ausschliesslich für die amerikanische Ausgabe von National Geographic, warum sieht man Sie nicht öfter in deutschen Magazinen?
Gerd Ludwig: Ich arbeite im Moment 80 % meiner Zeit für National Geographic, manchmal auch direkt für die deutsche Ausgabe. Hier habe ich einfach sehr gute Bedingungen. Natürlich würde ich gerne auch öfter für deutsche Magazine fotografieren, dazu müssten aber die Bedingungen stimmen. Das heißt neben einem vernünftigen Honorar auch ausreichend Zeit, sich dem Thema zu widmen und die Fotos in der Qualität zu erarbeiten, die ich mir vorstelle. Dazu gehören übrigens auch Tagesspesen – ich will schließlich fotografieren und mich nicht aus finanziellen Gründen mit dem Zubereiten der Mahlzeiten für meinen Assistenten und mich beschäftigen. Im Moment ist es doch so, daß deutsche Fotografen im eigenen Land das im Journalismus verdiente Taschengeld durch Werbung aufbessern müssen.
Gerd Ludwig
1947 geboren in Alsfeld / Hessen
1969 bis 1972 Studium Fotografie Folkwang Schule Essen bei Otto Steinert
Seit 1972 Fotograf für Magazine wie DER SPIEGEL, GEO, LIFE, stern, ZEITmagazin u.v.a.
Seit 1989 Reportagen für NATIONAL GEOGRAPHIC
Seither in der Stammmannschaft von NATIONAL GEOGRAPHIC
Mitglied bei VISUM seit 1974 (Gründungsmitglied)